Auswahlkriterien zur Person

Die Lebensgeschichte Albert Ecksteins kann stellvertretend für die Verfolgung und Emigration jüdischer Wissenschaftler im Nationalsozialismus gesehen werden. Sein Schicksal von einem hoch angesehenen Mediziner und Vaterlandskämpfer im Ersten Weltkrieg zu einem Menschen 3. Klasse und „Volksfremdkörper“ degradiert zu werden ist bezeichnend für die Diskriminierung und Demütigung, die deutschen Juden im Nationalsozialismus widerfahren ist. Es war sehr spannend, sich mit dieser oft typischen und traurigen Opferbiografie und gleichzeitig mit der Lebensgeschichte einer der kampfbereitesten und mutigsten Personen zu beschäftigen, von der ich je erfahren habe.

Jüdische Mediziner wie Prof. Eckstein waren im Berufsstand der Ärzteschaft überproportional vertreten. 1933 zählte man im Deutschen Reich ca. 52.000 Ärztinnen und Ärzte. Von diesen wurden etwa 9.000 Menschen, also ein Anteil von 17% an der Gesamtärzteschaft als „Nichtarier“ verfolgt. Die jüdischen Ärzte im staatlichen Dienst waren als erste von den rassistischen Berufsverboten und Boykottbestrebungen der Nazis betroffen. Die meisten von ihnen wurden nur wenige Wochen nach der Machtübernahme auf der Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus ihrem Dienst entlassen. Hierbei bildete Albert Eckstein allerdings eine Ausnahme, da er aufgrund des „Frontkämpferparagraphen“, welcher von Reichspräsident Paul v. Hindenburg für die Soldaten des Ersten Weltkrieges eingeführt wurde, noch zwei weitere Jahre im Amt bleiben konnte. Für jene national eingestellten Patrioten, die zunächst noch auf eine Zukunft in Deutschland hofften, war die spätere zwangsweise Emigration besonders bitter.

Albert Eckstein war zudem einer der ca. 300 Akademiker, welche ab 1933 mit ihren Familien in die Türkei emigrierten. Diese waren zum größten Teil in den Städten Istanbul und Ankara vertreten, wo sie maßgeblich am Aufbau von Universitäten und Krankenhäusern beteiligt waren.

Nach Ende des Krieges kehrten nur ca. 5% der bis zu 10.000 geflohenen jüdischen Ärzte in ihre deutschsprachigen Herkunftsländer zurück. Davon war ein Großteil Wissenschaftler wie Prof. Eckstein, die als ordentliche Professoren an Universitätskliniken berufen wurden und dort ihre akademische Tätigkeit fortsetzen konnten.

Das Schicksal der jüdischen Kinderärzte wurde nach dem 2.Weltkrieg in der Ärzteschaft lange Zeit totgeschwiegen. Erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts machte sich die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin an die Aufarbeitung der Vergangenheit und thematisierte ihre Mitschuld an den Verbrechen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Lebensgeschichte Albert Ecksteins zeigt, wie stark sich die menschenverachtende NS-Doktrin auf das Leben einzelner Wissenschaftler auswirkte. Gleichzeitig wird jedoch deutlich, dass es renommierten Forschern wie Albert Eckstein gelingen konnte, sich in der Fremde ein neues, erfülltes Leben aufzubauen. Dieses Privileg blieb vielen Verfolgten des NS-Regimes jedoch versagt.